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Aus der Flugpraxis entwickelte theoretische Abhandlungen über:
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Die geheimnisvolle Tarnkappe 400

     Die Begriffe Speed 400, Permax 400, Power 400 oder Race 400 haben eines ge-meinsam: Eine wenig bis nichts aussagende Bezeichnung mit Tarnkappeneffekt. Die Tarnkappe zu lüften, soll Aufgabe dieses Artikels sein.

      Im Land der aufgehenden Sonne gibt es eine Fabrik, die heute als der Welt größter Hersteller kleine Elektromotoren in unzähligen Typen produziert und zwar täglich! rund 2,8 Millionen Stück. Die Firmenbezeichnung ist MABUCHI MOTOR CO., Ltd. Schon 1968 tauchten bei uns die ersten Mabuchis auf, bis schließlich 1980 der erste 380er, nämlich der RS 380 S, erhältlich war. Fortan fand man diesen Motor nicht nur in Schiffs- und Fahrzeugmodellen, sondern auch in verschiedensten Haushaltsgeräten. Nur zaghaft wurden damit Modell f l u g versuche unternommen. Dieser Motor wurde weiterentwickelt und gipfelt heute noch immer im Typ RS-380 PH.
      Die Teile des Mabuchei-Motors: Gehäuse, Bürstenschild, Statorring, davor der AnkerWas aber ist nun mit dem 400er? Die Gunst der Stunde nutzend, ein neues Produkt ein klein wenig vermogelt besser unter die Leute zu bringen, versah ein Werbestratege einer großen Modellbaufirma nun alle Motorausführungen, vom kleinsten bis zum größten, mit runden Zahlen. Aus dem 280er wurde ein 300er, aus dem 380er ein 400er usw. bis zum 700er.
      Im Katalog dieser Firma steht zur Erläuterung, dass diese Zahlen die Länge der Motorengehäuse bedeuten. Nimmt man es nicht so genau, kann man es gelten lassen. Um den Werbeeffekt noch zu erhöhen, wurde noch der verlockend klingende Name Speed (oder Power, Race) den neuen Zahlen vorgesetzt. Innerhalb kürzester Zeit schlossen sich alle anderen Mitbewerber diesem System an. Der Werbetrick wirkte und ich war einer der ersten, der unbedingt so einen 400er zum experimentieren für meine Ferienflieger haben musste.
      Die von Firma zu Firma variierenden Angaben und meine eigenen Messwerte ließen darauf schließen, dass es Typenunterschiede geben musste. Aufklärung brachten dann Unterlagen von MABUCHI, die mir freundlicherweise das Europabüro dieser Firma in Frankfurt zur Verfügung stellte. Sie geben u.a. Aufschluss über 5 Grundtypen, von denen im Modellbaubereich lediglich die Niedervolttypen angeboten werden (siehe Tabelle).
      Äußerlich unterscheiden sich die blanken Motoren gar nicht. Unterschiedlich sind ihre Ankerwicklungen. Das steht aber nicht auf den Motoren. Nur der Geübte erkennt dies am Gewicht. Misst man Leerlaufdrehzahl und Leerlaufstrom, ist der Unterschied sofort erkennbar. Blau aufgedruckt auf allen Motoren ist bislang RS-380 PH, darunter das Wort China und zwei Grossbuchstaben. Letztere sind für uns ohne Bedeutung. Sie stellen lediglich einen Pro-duktionscode dar. Interessant ist jedoch der Code der Motorbezeichnung RS-380 PH mit der in der Tabelle folgenden 4stelligen Zahl. Sie ist der Code für die Drahtstärke und die Windungszahl. 14340 heißt demnach: Drahtstärke 0,14 mm mit 340 Windungen oder 5020: Drahtstärke 0,5 mm mit 20 Windungen. Dieser Motor ist zum Beispiel im Planeta Po-wer 400 von Robbe enthalten. Der Graupner Speed 400 mir der Bestellnummer 1794 entspricht der Codierung 4045.
      Die Tabelle zeigt auch sehr schön eine gewisse Gesetzmäßigkeit des Gleichstrommotors: Ankerwicklungen mit dünnem Draht und vielen Windungen ergeben einen Motor für hohe Spannungen und geringe Drehzahlen, je-doch sehr geringer Leerlaufstromaufnahme. Dagegen verhält sich der Motor mit dickem Wicklungsdraht und wenig Windungen konträr. Jeder von uns, der einen Elektromotor irgendeiner europäischen Herstellerfirma erworben hat, kann über das Loch in seinem Modellbaubudget beim Ankauf so eines Trieblings ein Liedchen singen. Ist so gesehen der RS-380 PH wirklich ein Billigprodukt? Also vom Preis her sicher, kostet er doch bei uns auch heute noch knappe € 10. Als sich während eines nicht mehr zu kontrollierenden Thermikfluges mein "RC-Holiday" zerlegte und der Rumpf aus großer Höhe kommend, in einem feingeeggten Acker wie ein Blitz einschlug, hatte ich endlich Gelegenheit, das Innere so eines Motors näher in Augenschein zu nehmen.
      Bedenkt man, dass der Erzeuger dieser Motoren unter einem beträchtlichen Kostendruck produziert, ist es ein Wunder, dass diese Motorchen trotzdem eine nicht zu übersehende Fertigungsqualität aufweisen. Natürlich besteht das Gehäuse aus einer gepressten 0,5 mm Eisenblechtube, an deren Kopf zur Befestigung zwei 2,6 mm Gewindebohrungen gepresst sind. Dies bedingt zum Anschrauben einen glatten Motorspant (Harz- oder Klebereste) sonst verzieht sich der Haltekopf und das Axialspiel des Ankers ist nicht mehr gewährleistet. Hohe Stromaufnahme wäre die Folge!
      Die beiden Lager der Motorwelle sind aus Sinterbronze und am Tubenende in dem ebenfalls aus 0,5 mm Eisenblech gefertigten Lagerschild eingepresst. Der wiederum ist auf einem relativ kompakten Plastikbürstenhalter aufgepresst.
      Sehr einfach, aber elegant gelöst ist der Mechanismus des Bürstenhalters, der zudem noch mit zwei eingepressten (nicht angelöteten) Entstörkondensatoren versehen ist. Beim anlöten des unbedingt erforderlichen zusätzlichen 47 nF- Entstörkondensators zwischen dem Plus- und Minuspol, sollte man diese Kondensatoren sicherheitshalber mit dem Gehäuse mitverlöten. Da auch die beiden Halbringmagnete eingeleimt, sowie der Kollektor und die Drahtenden der Wicklung gepresst sind, befindet sich am ganzen Motor weder eine Schweiß- noch eine Lötstelle.
      Sein wahres Gesicht als Billigmotor zeigt er beim Innenwiderstand. Der beträgt beträchtliche 0,343 Ohm. Das ist bekanntlich der Widerstand, der durch die Ankerwicklung, dem Übergang der Kohlen zum Kollektor, aber auch durch die Kohlen selbst entsteht. Er bildet den am meisten zu Buche stehenden Leistungsverlust im Motor und macht sich nur durch Wärme bemerkbar. Für Rechner: er ist der Quotient aus Klemmenspannung durch den Anlaufstrom. Daher sollte sich auch hier - entgegen der üblichen Usancen - der Betriebsstrom nicht all zu weit von Iopt, also dem Strom des besten Wirkungsgrades, entfernen!
      Schließlich stellt sich noch die Frage, ob ein Tuning an so einem Billigmotor überhaupt einen Sinn hat. Viel ist dabei wohl nicht zu holen, doch sollte man sich nur daran wagen, wenn man dafür ausgerüstet ist. Je nach Baureihe könnten dann unterschiedliche Axialfehler der reibungsungünstigen Bronzelager durch Austausch auf Kugellager korrigiert werden. Leider ein fast unmögliches Unterfangen, da diese Lagergröße (2,3 x 90) weit und breit nicht erhältlich ist. Etwas übertrieben scheint auch die Spannung, mit welcher die Federn die Kohlen an den Kollektor drücken. Entspannung wäre da angesagt, aber nur dann, wenn man sich nicht all zu weit von Iopt wegbewegt. Für beide Arbeiten müssen die Börtelstellen, mit denen der Bürstendeckel am Gehäuse gehalten wird, geöffnet werden. Dies geht am einfachsten durch Abschleifen der Börtelzäpfchen.
      Eine sehr einfache Möglichkeit der Leistungssteigerung bietet der so genannte Statorring (z.B. Graupner Bestell Nr. 1794.1). Seine Eigenheiten sind: bei der Leerlaufmessung fällt die Stromaufnahme des Motors wohl geringfügig, doch verringert sich auch die Drehzahl nicht unbeträchtlich. Erst unter Belastung fällt z.B. die Stromaufnahme von 6,9 A auf 6,5 A, also um 400 mA. Doch jetzt erhöht sich die Drehzahl, wie man es schon vorher erwartet hätte, um mehrere hundert U/min. Das Drehmoment wächst um wenige mNm. Das Gewicht des Ringes beträgt 7 Gramm.
      Ein Wort noch zum Wirkungsgrad bei Iopt. Für einen Billigmotor zeigt der 4045er laut vorliegender Tabelle einen Traumwert von 72,1 % bei 14,150 U/min und 3,34 A. Die Messunterschiede zwischen einem neuen und einem schon längere Zeit in Betrieb befindlichen Motor sind typenunterschiedlich, jedoch sehr gering. Daher dürften kurze Einlaufzeiten genügen! Fazit: Die Tarnkäppchen - vernünftig eingesetzt - vermitteln für wenig Geld viel unkomplizierten Spaß!

Modell Volt Leerlauf Bei max. Wirkungsgrad
Betriebsbereich Nennspannung
konstant
U/min Strom A U/min Strom A Wirkungsgrad %
RS-380PH-14340 15,0-30,0 24,0 6.300 0,005 5.280 0,29 61,4
RS-380PH-26110 6,0 - 24,0 13,0 9.900 0,19 8.530 1,19 62,9
RS-380PH- 4045 3,0-9,0 7,2 16.400 0,53 14.150 3,34 72,1
RS-380PH- 4535 3,0-8,0 4,8 12.000 0,60 10.390 3,87 66,2
RS-380PH- 5020 2,4-6,0 3,6 15.500 1,20 13.080 6,48 62,0
Vergleichsauflistung zu obigerTabelle der getesteten Motore
Aeronaut7000/40 =4535 Graupner1794 =4045
Multiplex 332545 = 4535 Graupner 3320 = 5020
Robbe 4185 = 5020 Graupner 3321 = 4535
Erstveröffentlichung: Zeitschrift prop 6/1994
Last Update: 15.03.2002 © by Oskar Czepa