Das Idealziel des Gummihochstarts ist es, dass dabei das Flugmodell die theoretische Gipfelhöhe erreicht (Gummi- und Hochstartseil sind senkrecht gespannt). Sehr häufig gelingt dieses Vorhaben aber leider nicht. Die Erklärung dafür ist einfach: wird z.B. ein 6 mm-Vollrundgummi auf seine Maximaldehnung gebracht, beträgt diese bestenfalls das Zweieinhalbfache bei ganz schönem Kraftaufwand (80 N). Diesen Gummisorten wohnt ein geringer Dehnungsfaktor inne. Zudem fordern sie eine relativ hohe Dehnkraft. Nach dem Spannen des Gummis ist dieser bemüht, die gespeicherte, also potentielle Energie raschest abzubauen. Hängt man nun ein kleineres, also leichteres und widerstandsärmeres, aber auch mit weniger Auftrieb gesegnetes Modell an das Seil, hat sich eben diese Energie schon bei einem Drittel der zu erreichenden optimalen Gipfelhöhe aufgebraucht. Die Folge: die Erdanziehung bemächtigt sich des in dieser relativ geringen Höhe nun lose hängenden gesamten Seiles, klinkt es aus, und das Modell schießt mit der Startüberfahrt noch ein ganzes Stück gegen den Himmel. Freifliegern der Klasse F1A ist bekannt, dass jedes bisschen Wind beim Hochstart eine Hilfe darstellt. Doch im vorher erwähnten Fall hilft, wie vom Autor dieser Zeilen erprobt, nicht einmal ein Sturm.
Die einschlägige Industrie hat diesem Problem dadurch Rechnung getragen, dass unterschiedlichste Hochstarteinrichtungen, auch für kleinere Modelle, angeboten werden. (z.B.: Graupner 235, Multiplex 723383 oder Robbe 5094). Verständlicherweise wurden sie nicht alle von uns auf ihre Brauchbarkeit oder ihren Einsatzbereich getestet. Auch sind die Angaben in den diversen Katalogen dafür eher vage gehalten.
Nachstehend ein Auszug zu diesem Thema aus einem prop - Testbericht über den 'mini-Milan', in dem die Schwierigkeiten beim Gummihochstart aufgezeigt wurden: im Kapitel Flug in der Ebene kommt das Wort Gummihochstart nicht vor. Daher findet sich darin auch keine Angabe über firmeneigene Vorrichtungen. Unsere Tests, mit der üblichen Kombination aus 30 m Rundgummi und 100 m Nylonseil, verliefen nicht sehr aufbauend. Der Hochstarthaken sitzt mit 25° (üblich 30°) vor dem Schwerpunkt an seinem hintersten Grenzpunkt. Weil sich das Modell jedoch jedes Mal bei Erreichen der Drittelseillängenhöhe all zu früh auslöste, wurde das mitgelieferte Häkchen umgehend mit einem 3 mm Messingröhrchen auf 18 mm verlängert. Das war vergebene Liebesmüh´. Da die ersten Hochstarts bei nahezu Windstille erfolgten, schien die Problemlösung mit etwas Wind behebbar zu sein. Denkste! Selbst bei extrem starken Wind (fast schon Sturm): keine Besserung. Das frühe Loslösen aus dem Seil in etwa 40-60m Höhe hielt an. Das Problem musste also wo anders liegen. Wegen des sehr guten Gesamtwiderstandes, des doch relativ kleinen Auftriebes und des geringen Gewichtes, steigt das Modell mit sehr hoher Geschwindigkeit weg. Dies bedingt, daß die im gespannten Gummi schlummernde potentielle Energie sehr schnell aufgebraucht wird. Viel zu schnell ist der Punkt erreicht, bei dem das Seil quasi zum Stillstand kommt. Das Gewicht des gesamten Seiles, vor allem des Gummis, begünstigt nun das Herausfallen des Hochstartringes aus dem Haken. Zudem wird das Modell mit seinem irren Geschwindigkeitsüberschuss gezwungen, seine Flugbahn fortzusetzen. Es bleibt ihm also nichts anderes übrig als sich vom Seil zu verabschieden. Eine Verbesserung könnten ausgefahrene Wölbklappen bringen. Mit Ihnen wird der Auftrieb erhöht, also die Fluggeschwindigkeit entsprechend herabgesetzt, aber auch der Modellwiderstand erhöht. Der Abbau der Gummispannung geht nun langsamer vor sich und das Drachenprinzip kommt so besser zum Tragen. Wer also beim Gummihochstart (30m 6,0mm Rundgummi) bessere Ausgangshöhen erreichen möchte, der dürfte mit Wölbklappen bei so kleinen, leichten Modellen zumindest eine Besserung herbeiführen.
Der endgültigen Lösung dieses Problems kam ein Zufall zu Hilfe. Anlässlich eines schon gut ein Jahr zurückliegenden traditionellen Flugtages bei Alfred Haiden in St. Pölten, zeigte mir dieser so ganz nebenbei den derzeit bei den Wakefieldfliegern in Verwendung befindlichen amerikanischen 1x3mm (1/25x1/8 inch)-Flachgummi, genannt Champion Rubber. Ein damals sofort vorgenommener Dehnungsversuch ergab die 6,5-fache Länge gegenüber der des Ruhezustands. Was aber überraschte war, dass in diesem Dehnungsbereich noch immer eine Reserve steckte und trotz der großen Längenänderung/Dehnung kein allzu großer Kraftaufwand erforderlich schien. Ich erbat mir ein Stückchen davon und fortan lag es dann vor mir auf meinem Arbeitstisch, als ob es auf etwas warten würde. Nun kam seine Stunde. Herauszufinden war jedoch, wie viele Fäden dieses Gummis bei einer bestimmten Stranglänge das gewünschte Ergebnis zeitigen.
Zunächst wurde ein Versuch mit nur 4 Fäden Gummi ohne Nylonseil unternommen. Hier fehlte die Widerstandskomponente des Nylons und das Modell flitze wie aus einer Schleuder geschossen ebenfalls viel zu schnell in die Höhe. Außerdem merkte man sofort, daß noch etwas Power fehlte.
Nun bat ich Alfred Haiden, für unser nächstes Treffen einen 30m langen 6-fachen Strang - Gesamtquerschnitt 18 mm² - mit 100m Nylonseil vorzubereiten. Eine Fisse (Bund) wiegt etwa 500 Gramm und das sind auch ziemlich genau die erforderlichen 180 m für einen 30 m - Strang mit drei Ringen oder sechs Fäden.
Was sich dann bei den sehr bald darauf stattgefundenen Treffen bei schönem Wetter und mäßigem Wind ereignete, war für uns alle schlicht sensationell. Das Seil wurde ausgelegt und der Gummi mit nur 125 Schritten gedehnt (d.s. ca.100 m und entspricht etwa der 3,3-fachen Dehnung). Die Federwaage zeigt bei dieser Dehnung eine Zugkraft von 40 N an. Modell eingehängt, Ruderprobe und ab ging die Post. Der nur 1,65m spannende und 0,63 kg wiegende 'mini Milan' stieg ungewöhnlich gemütlich, ja man kann ruhig sagen 'beschaulich' gegen Himmel und machte keinerlei Anstalten, sich vom Seil zu lösen. Die Ausgangshöhe für den Gleitflug war phänomenal. Sofort wurden alle anderen vorhandenen Segler verschiedenster Gewichts- und Größenklassen bis zu 1,2 kg Fluggewicht der Reihe nach getestet. Bei allen Modellen das gleiche Bild. Jedes Mal zeigte sich ein wunderbarer gemütlicher, sanfter Steigvorgang. Im Gegensatz zur alten Startmethode, bei der das Gummiseil sich, wenn überhaupt, erst spät vom Boden löste, löst sich dieser Gummistrang seines geringen Gewichtes wegen sofort und verringert so auch den Reibungswiderstand in der Entspannphase.
Wo viel Licht, da gibt es auch Schatten. Der Gummi ist, so weit ich unterrichtet bin, im Handel nicht erhältlich. Man muss diesbezüglich die örtlichen Wakefieldfliegern ansprechen, die diesen Gummi meist direkt aus den USA bezogen. Ein Anfragebrief an die Vertreiberfirma in den USA kam jetzt nach einigen Wochen mit dem Vermerk zurück, daß diese Firma bereits seit Mitte 1996 nicht mehr existiert! Falls jemand einen neuen Lieferanten kennt, bitte melden!
Hier noch einige Tipps: beim Auslegen auf 6 x 30m sollten die Gummifäden ohne Verdrehungen um zwei in den Boden gesteckte Schraubenzieher oder Ähnlichem spannungsfrei abgewickelt werden. Vorteilhaft ist, die beiden Ringenden des Stranges in Bobbins (kleine Aluspulen) zu fassen. Sie müssen glatt sein und der Gummi sollte an diesen Stellen mit Talkumpuder behandelt werden. Bei Verwendung der üblichen Hochstartringerln an ihrer Stelle, werden die einzelnen Gummifäden beim Dehnvorgang zu sehr eingekerbt und reißen recht bald. Dass dieser Gummi ebenfalls eingebrochen werden muss, versteht sich von selbst. (Siehe Beitrag 'Verkannt, unbekannt'). Allgemein bekannt ist auch, daß Gummi ohne besondere Zusätze (Gummimischung, geht leider zu Ungunsten des Dehnungsfaktors!) empfindlich auf Ozon reagiert. Wie lange also Wakefieldgummi der Sonneneinstrahlung widersteht, bleibt abzuwarten. Die Lagerung sollte jedenfalls in einem gut verschließbaren Behälter erfolgen.
In der Zwischenzeit hat Alfred Haiden auch ein Seil mit 40m 4x4 Gummi (16 mm² Querschnitt) und 100 m Nylon für Modelle dieser Kategorie mit bestem Erfolg getestet.
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