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Aus der Flugpraxis entwickelte theoretische Abhandlungen über:
Allgemeine Flugmodell- und Fernsteuertechnik
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Die Thermikbremse

     Will man sich heutzutage schlau machen, wird gegoogelt. Gibt man den Begriff „Thermikbremse“ ein, ist die Enttäuschung groß. In unzähligen Beiträgen wird wohl mit Bildern und Zeichnungen dargestellt, was eine Thermikbremse ist und wofür sie gut ist. Beiträge über die aerodynamischen Vorgänge des Bremsabstieges, konnten aber nicht ansatzweise gefunden werden. Nachfolgend ein Versuch, der flugmechanischen, mathematischen, aber auch theoretischen Darstellung der Funktionsvorgänge.

Jedem Freiflieger ist die nebenstehend abgebildete „Höhenleitwerk-Thermikbremse“, kurz HL/TB ein Begriff. Durch negatives Hochklappen des Höhenleitwerks wird die Sinkgeschwindigkeit eines Flugmodells auf diese Art drastisch vergrößert, der Auftrieb üblicher Thermikblasen so überwunden und das Modell fällt sanft zu Boden. Wer sie erfand und sie das erste Mal in dieser Art an einem Flugmodell erprobte, ist nicht belegt. Dass sie erst nach dem 2. Weltkrieg an Bedeutung gewann, lag wohl daran, dass bis dahin bei Wettbewerben aller Freiflugkategorien des damaligen Modellflugs, weltweit, immer je Durchgang die längste, ersehbare Flugzeit gewertet wurde. Erst mit der Einführung von Maximalflugzeiten (von 10 bis heute auf 3 Minuten), wurde sie unerlässlich. In der Literatur wird der Amerikaner Dick Korda sehr früh erwähnt, der mit seinem Gummimotormodell „Dethermalizer“ (engl. für Thermikbremse), dank des Einbaus eben dieser Thermikbremse, die 1941er USA-Nationals gewann. Während seine Konkurrenzmodelle alle innerhalb kurzer Zeit in der Thermik auf „Nimmerwiedersehen“ außer Sicht gerieten, löste sich bei seinem Modell mittels Zeitschalter nach etwa 5 Minuten die HL/TB aus. Dadurch war er imstande, sein Modell wieder an den Start zu bringen und erreichte mit einer durchschnittlichen Abstiegszeit von 3 min die längste (sichtbare) Gesamtflugzeit von 3 Durchgängen.

Was geschieht beim Auslösen der Thermikbremse (HL/TB)?
      Durch das schlagartige Hochklappen des HLW´s unter einem bestimmten Winkel wird der FLUG durch eine Art Männchenfigur abrupt unterbrochen. Das Modell bäumt sich auf, wird nach dem Abfangen durch die Störstellung von Flügel und HLW am Weiterflug gehindert, verbleibt jedoch in Fluglage und geht dann aber sofort, ähnlich einem Blatt das zu Boden fällt, oder einem Fallschirm der sich schwebend dem Boden nähert, in einen Fall über. Das Modell erfährt also einen abrupten Wechsel vom aerodynamischen Flug, zu einem, physikalisch „Freien Fall“. Durch den großen Formwiderstandsbeiwert cwF der Flugmodellfläche, ist die Fallbeschleunigung jedoch beträchtlich verringert (von g ~ 10 m/s², auf nahezu null).
      Entscheidend für das Funktionieren der HL/TB ist, dass dafür ein bestimmter negativer Höhenleitwerkklappwinkel aktiviert wird, der bewirkt, dass nach dem Auslösen und Abfangen, die Aerodynamik von Tragfläche und Höhenleitwerk blockiert bleibt! Dafür ist eine Winkeldifferenz von mindestens 40° zwischen Fläche und HLW erforderlich. D.h., man könnte auch ohne weiters die Tragfläche um +20° und das HLW um -20°, oder nur die Tragfläche um +40° hochklappen.
      Im Flug besteht bei einem gut gebauten und getrimmten Modell Massengleichgewicht um den Schwerpunkt, der auch als Drehpunkt um alle Achsen für ein aerodynamisches Gleichgewicht von Auftriebsmittel/Schwerpunkt dient.
      Beim vorliegenden Fall entfällt die Aerodynamik des Fluges. Unverändert verbleibt jedoch die für den Flug eingestellte Gewichtsbalance um alle Achsen. Man kann auch davon ausgehen, dass die jetzt wirksam werdende Grundflächen-Widerstandsverteilung des Modells in einem gewissen Gleichgewicht verweilt. Gewährleistet wird dies, bei Flugmodellen mit einem ausgewogenen Flügel-Gegenmoment, mit einem Rumpfhebel vom 4fachen der mittleren Flügeltiefe und einer HLW – Mindestfläche von mindestens 13% der Tragfläche. Eine allfällige, geringe Ungleichheit zwischen den Grundrissflächen vor und hinter dem Schwerpunkt, gleicht sich durch Selbstregulierung der Störwinkel aus, so dass Fläche und HLW in einem flugunfähigen Anstellwinkelbereich verweilen.
      Das Massen- und sich selbst regulierende Grundflächenwiderstandsgleichgewicht sorgen also dafür, dass beide Flächen unter flugunfähigen Anstellwinkeln von etwa je 20 Grad +/-, fallen, die eine Rückkehr zum Flugzu stand verhindern. Siehe dazu nebenstehendes Bild, das diese Annahme bei geöffneter Thermikbremse durch das hängende Rumpfende bestätigt (Foto: W. Wallner). Wird diese Lage oder das Gleichgewicht z. B. durch ein zu kleines HLW oder einen zu kleinen Klappwinkel des Höhenleitwerks nicht erreicht, kommt es nicht zum „Freien Fall“ und das Modell geht dann in den meisten Fällen in einen pumpartigen Spiralflug über.
      Die beim Fall häufig auftretende ungewollte Drehtendenz um die Hochachse entsteht entweder durch Ungleichgewicht der beiden Tragflächenhälften zueinander oder durch geringen Verzug, oder auch gewollt, durch einen Seitenruderausschlag. Ein starker Seitenruderausschlag gegen die Drehrichtung hingegen stoppt die Drehung und ermöglicht in der Folge sogar eine Richtungssteuerung im geraden Fallen.
      Beim Freiflugmodell erfolgen das Auslösen der HL/TB, wie auch die Landung, nach der am Zeitschalter eingestellten Zeit, irgendwo. Beim RC-Flug ist es jedoch möglich und auch ratsam, die Auslösung der HL/TB immer vor und gegen den Wind einzuleiten, damit das Modell in der Nähe des Piloten aufsetzen kann. Soll das Modell nicht landen, der Fall also unterbrochen werden, um den Flug wieder aufzunehmen, sollte er, unter Rücksichtnahme auf die durch eine große Pumpbewegung stattfindende Beruhigungsphase, in einer Mindesthöhe von 30 m beendet werden, um eine unkontrollierte Berührung mit dem Boden zu vermeiden.

Berechnungen, Auslösetechnik:
      Aus Windkanalmessberichten ist ersichtlich, dass der Verwirbelungsgrad, also der Formwiderstandsbeiwert cwF einer senkrecht stehenden Rechteckfläche gleich 2,0 und der eines Fallschirms 1,33 beträgt. Für ein vertikal angeblasenes Flugmodell liegen keine cwF-Werte vor. Messungen, die freundlicherweise Ing. E. Reitterer/Salzburg für diese Studie vornahm, ergaben zunächst, dass die Fallgeschwindigkeit eines F1A-Modells aus 52 m Höhe durchschnittlich 18 s betrug (allerdings im Spiralfall).  Für die Berechnung des cwF–Wertes, muss noch dazu die Beruhigungsstrecke nach dem Auslösen der Thermikbremse von etwa 4,0 m und die Verzögerungstrecke des freien Falls (h = v²/2g = 0,5 m, also gesamt 4,5 m, sowie eine Beruhigungszeit von 3 s angenommen werden. Daraus resultiert eine Fallgeschwindigkeit vF von 47,5 m / 15 s = 3,16 m/s.
      Um nun damit den cwF-Wert zu finden, benötigt man neben der Fallgeschwindigkeit von 3, 16 m/s noch die Werte des Messmodells: F1A-Segelflugmodell: Fgesamt = 0,355 m² Fläche, (F = 0,3 m², HLW = 0,04 m² und Rumpf 0,015), G = 0,4455 kg = 4,37 N und für ρ/2 = 0,6125.

      Bemerkenswert ist die Übereinstimmung des hier gefundenen cwF-Wertes, zur Windkanalmessung der Rechteckfläche.
√Freiflieger benützen übrigens den Rotationsfall lieber als den nichtrotierenden. Für Modelle dieser geringen Flächenbelastung ist die nicht rotierende Bremswirkung zu schwach, sie bleiben in der Thermikblase und entschwinden zuweilen.
     Inzwischen hat die Telemetrie auch den Modellflug in Beschlag genommen: Varioausgabe am Sender eingestellt, Thermikbremse im Modell aktiviert und sofort ist am Senderdisplay die momentane Fallgeschwindigkeit in Echtzeit ablesbar. Noch präziser errechnet sich diese Bestimmung aus dem Mittel der gesamten Fallzeit einer Thermikbremsung, mit Hilfe eines Flugauswertungsprogramms, z. B. „Graupner Hott Manager“. Die nichtrotierende Fallgeschwindigkeit vF des Testmodells, mit seinen Werten für Fgesamt = 0,374 m², (FF = 0,3 m², FH = 0,036 m², FR = 0,038 m²), G = 0,493 kg = 4,84 N, beträgt 3,0 m/s, was einen Formwiderstandsbeiwert cwF des Flugmodells  = 2,0 ergibt!
     Das Ergebnis für vF verspricht also für ein Modell von 12 N/m² (z. B. 4,1 N / 0,355 F) ein sanftes Aufsetzen. Bei gleichbleibender Fläche steigen mit zunehmendem Gewicht (G/F>) Fallgeschwindigkeit und Aufprallenergie. Ab welcher Fallgeschwindigkeit das Modell dabei Schaden nimmt, hängt weniger von seiner Baustruktur ab, sondern vielmehr von der Flächenbelastung. Setzt man bei obiger Rechnung anstatt 12 N/m² Flächenbelastung, 60 N/m² 21,3/0,355) ein, beträgt die Fallgeschwindigkeit vF bereits 7,0 m/s. Mit dieser Flächenbelastung dürfte der maximale Aufprall-Belastungspunkt erreicht, wenn nicht gar überschritten sein. Nicht unbedeutend für das Aufsetzen ist dabei wohl auch, ob das Modell auf eine Betonpiste aufknallt oder weich in einer Wiese aufsetzt.
     Die HL/TB kann mechanisch mittels Zeitschaltuhr, oder ferngesteuert über das Höhenruderservo das als Schlitten läuft, ausgelöst werden. Mittels Kanal-Schalter wird ein Arbeitsservo aktiviert, das den Schlitten (Höhenruderservo) zum gewünschten Klappwinkel bewegt. (Siehe nebenstehendes Bild).
     Zum Auslösen der HL/TB ist noch immer neben Zeitschaltern die in Chilesalpeter getränkte Baumwollschnur in Verwendung. Längenabhängig, durchschmort die glimmende Lunte zum gewünschten Zeitpunkt den hinteren Befestigungsgummiring am HLW (Brennzeit: 2 cm = 1 min, Ø 3-4 mm).
     Die HL/TB ist nach wie vor ein Muss bei allen Freiflugmodelltypen. Im RC-Bereich ist sie bei Leichtseglern kaum wegzudenken. Aus Gewichts- und Einbaugründen sind diese Modelle nicht mit Störklappen ausgerüstet und aus Festigkeitsgründen erscheint ein Herunterdrücken aus der Thermik, wegen Überbeanspruchung der Statik, nicht ratsam.
     Vereinzelt wird hier mit Hilfe entsprechender Regler auch die effektive Propeller-Schubumkehr als sanfte Abstiegshilfe in Form einer Sturzflugbremse eingesetzt, wobei der Fallwinkel mit entsprechendem Tiefenruder sehr gut gesteuert werden kann.
     Um robustere RC-Modelle auch aus starker Thermik herauszuholen, werden dafür am häufigsten deren Landehilfen eingesetzt. Also Schempp/Hirth Störklappen oder die Krähen- oder Butterflystellung bei 4-Klappen-Modellen.

©  Oskar Czepa

Quellenangabe: „Flugtechnik für Jedermann“/Richard Bauer

Folgend, Abkürzungen und Formelzeichen in Textreihenfolge:
HL/TB = Höhenleitwerkthermikbremse, HLW = Höhenleitwerk In Klammern  [ ] die Dimensionsangabe h = Höhe [m]
g = Fallbeschleunigung [9,81 m/s²]
v = Fallgeschwindigkeit [m/s]
s = Sekunde, min = Minute
F = Flügelfläche [m²]
FGesamt  = Gesamtgrundrissfläche [m²]
CWF = Grundflächenformwiderstand [-]
G = Modellgewicht [N]
G/F = Flächenbelastung [N/m²]
ρ/2 (Rho halbe) = Luftwert, hier 0,6125 [kg/m³]
vF = Bremsfallgeschwindigkeit [m/s]
Last Update: 17.03.2015 © by Oskar Czepa